Es wäre eine leichte bis mittelschwere Wanderung, haben sie gesagt. Gut machbar, haben sie gesagt. Recht einfach zu meistern, haben sie gesagt. Nur bisschen Trittsicherheit braucht man und etwas Kondition, haben sie gesagt. WTF??? Da lagen aber mal alle gut daneben bei diesem Trail in Namibia´s Naukluft-Gebirge… Warum man Bewertungen im Internet nicht immer Glauben schenken darf – und warum ich den Trail dennoch geliebt habe: Lest hier!
Zunächst vorab – wir hatten unglaubliches Glück, dass wir unsere mehrfach gebuchte und stornierte Namibia-Reise nun doch noch antreten konnten, bevor Deutschland in den zweiten Corona-Lockdown geht. Nach mehreren Südafrika-Touren war es das weite Nachbarland Namibia, das mich schon seit Langem auf jedem Anflug nach Kapstadt faszinierte und anzog. „Dank“ Corona konnte ich sogar meine Traumlodges buchen, die man „in normalen Zeiten“ ein gutes Jahr im Voraus reservieren musste. Daher war ich unsagbar dankbar, als wir tatsächlich in den Flieger nach Windhoek steigen durften…
Namibia mit allen Sinnen erleben
Ich wollte Namibia auf unserer -wie immer allein organisierten- Rundreise mit allen Sinnen wahrnehmen – und dazu gehörte vor allem das bewusste „zu-Fuß-erleben“ auf zwei ganz verschiedenen Wanderungen. Die erste beschreibe ich hier – die nächste im kommenden Beitrag 🙂
Da wir die ersten Tage in der wunderschönen Desert Hills Lodge bei Sesriem verbrachten, bot sich ein Ausflug ins Naukluft-Gebirge an, in dem man verschiedene Tagestouren und auch Mehrtageswanderungen unternehmen kann. Nach dem Dünenmeer der Namib kann man hier auch eine ganz gegensätzliche Landschaft bewundern.

Meine Wahl fiel auf den etwa 10 km langen Olive Trail, ein Rundwanderweg, der durch einen Canyon führt und bei meiner vorherigen intensive Recherche als „mittelschwer“ und für „Wanderer mit etwas Klettererfahrung“ beschrieben wurde. Das wäre machbar, dachte ich – wir sind beide schwindelfrei, trittsicher, haben eine durchschnittliche gute Kondition und auch ausreichend Mut, da am Ende des Trails die „Schlüsselstelle“ zu bewältigen wäre – die Überquerung eines Naturpools an den beiden seitlichen senkrechten Felswänden an Ketten. Da ich den Kletterschein besitze, wäre die Tour sicher gut zu bewältigen. Dass die Ketten letztendlich den unproblematischsten Teil der Tour darstellen sollten, wusste ich da noch nicht…
Hätte ich DAS vorher gewusst…
Um es vorweg zu nehmen – die Tour hat richtig Spaß gemacht und wir haben den Trail ohne große Probleme bewältigt. ABER: Hätte ich vorher so genau gewusst, was mich tatsächlich erwartet – ich hätte wohl dankend abgelehnt…

Der Olive Trail startet in Naukluft im gleichnamigen Gebirge, etwa 1,5 Stunden Fahrt von unserer Lodge aus. Wir brachen gegen 7 Uhr morgens auf und fuhren auf der gut ausgebauten Schotterpiste bis zum Tor ins Naturreservat des riesigen Namib-Naukluft-Parks. An der Rezeption des (leeren) Campingplatzes meldeten wir uns an, bezahlten die Gebühr und erhielten eine improvisierte Karte sowie den Hinweis, pro Person mindestens 2 Liter Wasser mitzunehmen und bei den Ketten die rechte Felsseite zu nutzen. Rucksäcke, Sonnenschutz, ausreichend Wasser, Lunchbox und feste, gut eingelaufene (!!!) Wanderschuhe hatten wir natürlich dabei sowie ein Erste-Hilfe-Set für den Notfall. Wir fuhren zurück zum schattigen Parkplatz und dann ging´s los!
Laut Beschreibung sollte man zunächst ein Plateau erreichen, von dem aus man dann durch den Canyon wieder zurück zum Parkplatz wandern würde. Das las sich gut – alles easy. Der gut gekennzeichnete Pfad ging stetig bergauf- und dann erblickte ich am anderen Berghang den weiteren Verlauf… DA HOCH??? Tja, was ich nicht ahnte: Wir sollten den dort wohl (gefühlt) höchsten Berg erklimmen – in Serpentinen wand sich der schmale Pfad immer weiter hinauf… Der Blick war atemberaubend – und nicht nur der Blick. Ich kam ganz schön aus der Puste und musste immer öfter stehen bleiben, um Kraft zu sammeln.




Unfassbare Stille und unberührte Natur
Letztendlich hatten wir es aber geschafft – wir erreichten das Plateau und gönnten uns erstmal unsere Frühstückspause. Was für eine Stille! Tief unter uns sahen wir bereits den Canyon, den wir später hinabsteigen sollten. Von dort oben sah der Weg ganz gemächlich aus… was für ein Irrtum. Raubvögel zogen ihre Kreise, hin und wieder fanden wir Tierspuren. Hier leben u.a. Antilopen, Zebras, Springböcke – und auch Leoparden.


Nach unserer kleinen Stärkung wand sich der Pfad an der Bergrückseite talwärts – nun mussten wir schon genauer hinsehen, um die weißen Kennzeichnungen zu finden, die meist auf Steinen zu finden waren. Verlaufen konnte man sich jedoch kaum – es ging immer abwärts. Allerdings nicht mehr auf einem „Weg“. Nein, ab Beginn des Canyons liefen wir nur noch über Felsen. Große und kleine Geröllhalden und teils riesige Felsbrocken sorgten dafür, dass man wirklich jeden Schritt gut überdenken musste. Gute Wanderschuhe sind hier Pflicht! Ich musste im Stillen meinen Körper und das Unterbewusstsein bewundern – so schnell, wie meine Füße zielsicher den nächste Schritt setzen, konnte ich gar nicht denken… Wahnsinn, wie so ein menschlicher Körper funktioniert, dachte ich mir.



Bald schon wurden aus den Felsfragmenten meterhohe Wälle, die wir hinabklettern mussten. „Klettern“ trifft es tatsächlich, denn die bis zu 5 Meter hohen Felswände im Canyon konnte man tatsächlich nur mit Händen und Füßen, auf dem Hosenboden rutschend, sich gegenseitig helfend, mit Fingerkuppen in Felsspalten krallend und teils im freien Sprung bewältigen. Ich wusste manchmal nicht, ob ich weinen oder lachen sollte… Dazu kam: Es gab kein Zurück! Keinesfalls wäre wir die Felsbrocken wieder rückwärts hinaufgekommen… Trotzdem hatte ich riesigen Spaß! Es war seltsam befreiend, den Körper an seine Grenzen zu bringen und dabei den Kopf von allen überflüssigen Gedanken zu leeren. Und diese Kulisse im Canyon tat ihr Übriges: Köcherbäume an den Felswänden, Agaven und uralte wilde Olivenbäume, die dem Trail seinen Namen gaben. Hoch über uns ein blauester Himmel, Stille und Demut vor dieser unberührten Natur…
Sehr befreiend, den Körper an seine Grenzen zu bringen und den Kopf frei zu machen
Die Tour wurde mit etwa 4-5 Stunden angegeben. Nach etwa 3/4 der Route erreichten wir – nachdem wir nun schon fast routiniert die meterhohen Felsversätze überwanden – die berühmten Ketten über dem giftgrün schillernden Naturpool tief unten. Weder Wasserstand noch Beschaffenheit ließen Trinken oder Baden zu – auch wenn das immer mal wieder beschrieben wurde (vielleicht zur Regenzeit?). An den Ketten trafen wir auf die geführte Wandergruppe, die etwa 1 Stunde vor uns den Trail begonnen hatten. Wir hatten das Fahrzeug am Parkplatz gesehen und die Eintragung in der Anmeldeliste. Die Gruppe hatte einen Guide dabei und war gerade damit beschäftigt, einzelne Wanderteilnehmer am mitgebrachten Sicherungsseil an der Felswand entlang zu lotsen. Zu unserem Glück hingen sie an der linken Seite und damit war die rechte Kette frei, die wir ja laut Empfehlung der Rezeption nehmen sollten.

Bis zur Wasserkante unter uns waren es etwa 5-6 Meter, die Kette war ca. 6 Meter lang. Ohne langes Zögern tastete sich zunächst Stefan an der Wand entlang, bis er das erste Kettensegment greifen konnte. Problematisch war hier tatsächlich der Weg bis hin zur Kette – der Felsvorsprung, auf dem man sich entlangbewegen konnte, war nur wenige Zentimeter breit. Hat man die Kette erstmal erreicht, gab es nur eine Möglichkeit – Augen zu und durch… bzw. Hände zu, mit dem Oberkörper nach hinten fallen lassen und mit den Füße an der Wand abstützen – immer seitwärts….
Immer an der Wand lang…
Nachdem Stefan sicher das andere Ende erreicht hatte, musste ich nun doch ziemlich schlucken, denn es kostet schon Überwindung, sich auf ein paar Zentimetern an der Steilwand entlangzutasten und sich dann – voller Vertrauen in die Materialtragfähigkeit – in die Ketten zu hängen. Aber Zeit zum Nachdenken blieb nicht (sollte man sich besser auch nicht nehmen!) – und schwupps, war auch ich drüben. Stolz breitete sich aus, und wir genossen das Gefühl, auch diese Engstelle gemeistert zu haben. So schwer war das jetzt nicht – da waren so manche Punkte im Canyon schwieriger zu bewältigen.

Später las ich irgendwo nach, dass der Olive Trail mit der Alpin-Schwierigkeitsstufe T 4 ausgezeichnet ist auf der Skala von T1 bis T6, und dass der Trail die Beherrschung des 1. Klettergrades verlangt. Gut, die hatte ich zwar, war aber lange her…
Zum Schluss ein Tierfriedhof
Nach den Ketten ging es noch einige Hundert Meter im Geröll weiter bis zum breiten Ende des Canyons, wo auch die Quelle mit der Wasserstelle (in der Regenzeit) liegt. Was wir dort fanden? Einen Tierfriedhof! Ein totes Zebra, eine zerfetzte Oryx-Antilope und noch zahlreiche weitere Knochen lagen dort verstreut. Die Erklärung lag nahe: Wenn es Wasser gibt, treffen sich die Tiere dort an den Wasserstellen – und da dort auch Bäume waren, sind Leoparden nicht weit… Wir sputeten uns also, um den baumreichen und aktuell wasserlosen Flussgrund zu verlassen und liefen dann entspannt und wahnsinnig stolz auf die gemeisterte Tour zurück zum Parkplatz. Es war eine wahnsinnig tolle Erfahrung, aber man braucht auf jeden Fall gute Kondition und Kraftausdauer, sollte unbedingt schwindelfrei sein und sehr trittsicher. Eine gute Ausrüstung ist ein Muss und nach unserer Erfahrung würde ich den Trail auf gar keinen Fall mit Kindern machen – das geht nicht! Man kann den Weg auch nur im Uhrzeigersinn gehen, wenn man die ganze Tour absolvieren will. Will man jedoch nur bis zu den Naturpools zum Gucken, kann man (das auch mit Kindern) vom Parkplatz gleich links abbiegen und dann die gleiche flache Wegstrecke zurückgehen.

Wer es versuchen will: Macht es! Es wird hart und ihr werdet Mut brauchen, aber euch bleibt eine unglaubliche Erfahrung in diesem tollen Land. Und wer sich – so wie ich – vorher auf Blogs und in Foren über den Trail informiert, sollte gut abwägen, dass nicht jede subjektive Einschätzung stimmt… Wer den Trail als Alpinsportler geht – kein Thema. Als „Otto-normal-Wanderer“ wird es jedoch eine Herausforderung!
Zum Schluss noch ein paar Tipps aus meinen Erfahrungen beim Olive Trail:
- NIEMALS mit neuen Schuhen wandern! Ich hatte meine 2o Jahre alten Bergstiefel an, die waren Gold wert. Knöchelhoch sollten sie unbedingt sein für guten Halt!
- Genug Wasser (2 Liter/Person) , Sonnenschutz und Hut und etwas zu essen mitnehmen.
- Ein Erste-Hilfe-Notfallset mit Pfeife einpacken und sich vorher UNBEDINGT an der Rezeption anmelden.
- An den Ketten nicht versuchen, mit dem Oberkörper nah an der Wand zu bleiben – das klappt nicht! Man braucht den Hebeleffekt, um sich mit den Füßen an der Wand abstützen zu können. Das geht, da es immer ein paar Zentimeter Felsvorsprung gibt.
- Am Anfang (beim Aufstieg) langsam gehen. Ihr braucht eure Kraft noch 🙂
- Es gibt keinen Handy-Empfang! Auch nicht mit namibischer MTC-Sim-Karte.
- Und nach dem Olive Trail: Ein Besuch des Neuras-Weingutes, das quasi an der Strecke zurück Richtung Sesriem liegt. Dort kann man bei einer netten Weinverkostung und einer Käseplatte die Wanderung nochmal „nachspüren“…
Herzliche Weltenbummelgrüße von Karo

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